... oha, ich stelle gerade fest, dass ich noch gar kein Kalenderblatt für APRIL eingestellt habe. Nun aber los ...
APRIL 1977
In der Stellung einer FlaRak-Batterie Hawk der Luftwaffe
ZitatDie gegen den Himmel gerichteten Flugkörper des Flugabwehr-Raketensystems Hawk im Hintergrund unseres Bildes erinnern an die schwergepanzerten Trupps der altrömischen Lanzenträger, die Triarier, die immer dann eingesetzt wurden, wenn ein mit großer Wucht geführte gegnerischer Angriff abgefangen werden mußte. Heute wie damals müssen in Notfällen besonders ausgerüstete und ausgebildete Truppen die Wucht solcher Angriffe brechen. Doch welcher technische Wandel hat sich vollzogen! Waren es in jener Zeit Lanzen und Schilde, die körperliche Kraft und Geschicklichkeit erforderten, so handelt es sich heute um hochkomplizierte und komplexe Waffensysteme, die ein hohes Maß an technischem Verständnis und geistiger Beweglichkeit voraussetzen. Die Bundeswehr hat bei dieser Entwicklung Schritt gehalten und setzt für die Luftverteidigung neben Jagdflugzeugen die Flugabwehr-Raketensysteme Nike für den mittleren und größeren Höhenbereich und die Flugabwehr-Raketensysteme Hawk für den niedrigen Höhenbereich ein. Soldaten, die in einer solchen Einheit Dienst tun, müssen dem beträchtlichen technischen Aufwand, den solche Waffensysteme verlangen, gewachsen sein. Die Ausbildung hierfür in den USA - in den Wüstengebieten von Texas und New Mexico - ist lang und erfordert ständige Anspannung, läßt anderseits den Soldaten aber ausreichend Zeit und Gelegenheit, durch Fahrten in die Umgebung Land und Leute kennenzulerne; eine willkommene Abwechslung von der schon beginnenden militärischen Routine. Später in Deutschland beginnt dann der Ernst des soldatischen Alltags.
Wie die jüngst vergangenen kriegerischen Auseinandersetzungen bewiesen haben, ist die Luftwaffe mit all ihren Komponenten die Waffe der ersten Stunde, auf ihr ruht die Last der Verteidigung von Anbeginn. Sie muß deshalb in der Lage sein, auch den überraschend angreifenden Gegner verzuglos wirksam zu bekämpfen. Den Flugabwehr-Raketenverbänden kommt dabei eine entscheidende Bedeutung zu. "Wachsamkeit ist der Preis der Freiheit" hat die NATO als Losungswort gewählt - nicht ohne Seitenblick auf alle Komponenten der Luftverteidigung. Für die deutschen Nike- und Hawk-Verbände bedeutet das ununterbrochenen Bereitschaftsdienst. Der Schichtdienst rund um die Uhr wird auch durch Feiertage nicht unterbrochen, er fordert den Soldaten der Flugkörperbatterien alle Kräfte ab. Ständig wird der Luftraum überwacht, stehen Spezialisten bereit, um eventuelle Störungen im komplizierten technischen Ablauf sofort beheben zu können. Unablässig werden Funktionsüberprüfungen vorgenommen und durch die Luftverteidigungszentralen simulierte Ziele zugewiesen, die dann nach allen Regeln eines wirklichen Einsatzes "bekämpft" werden. Ziel dieser ständigen Übungen ist es, die routinierte Kampfbereitschaft in vollem Umfang ständig aufrechtzuerhalten. Daß dies gelingt, beweisen die immer wieder hervorragenden Ergebnisse der jährlichen taktischen Überprüfungen durch Spezialisten der NATO. Seit Jahren schon liegen die deutschen Batterien an der Spitze im westlichen Verteidigungsbündnis. Krönender Abschluß ist stets die Verlegung auf die Mittelmeerinsel Kreta, wo jede Batterie in regelmäßigen Abständen beim scharfen Schuß auf ferngesteuerte Zielflugkörper ihren honen Ausbildungsstand unter Beweis stellen muß.
Dem Betrachter unseres Bildes bleibt der ungeheurer Aufwand verborgen, der hinter all diesen Waffensystemen steht. Um deren Wirksamkeit so hoch wie möglich anzusetzen, bedarf es einer straffen und in vielen Bereichen automatisierten Führung. Die NATO hat aus diesen Erkenntnissen die Konsequenzen gezogen und einen lückenlosen Gürtel von Nike- und Hawk-Batterien angelegt, der sich von der Nordspitze Dänemarks bis zum Alpenrand erstreckt. Angreifende Flugzeuge können so auf der gesamten Breite bei jedem Wetter und in allen Höhenbereichen wirksam bekämpft werden. Alle deutschen Batterien sind in das westeuropäische Verbundsystem der Luftverteidigung integriert und werden von international besetzten Einsatzzentralen der NATO geführt. Die einzelnen Batterien sind schachbrettartig verteilt, so daß ihre Feuerbereiche sich mehrfach überlappen. Auf diese Weise wird sichergestellt, daß der Ausfall einer Feuereinheit keine Lücke in den europäischen Luftverteidigungsriegel reißt. Der Gegner kann bereits beim Grenzüberflug erfaßt und sofort mit vollem Einsatz bekämpft werden.
Wie hilflos aber müßten die modernsten Waffensysteme sein ohne die Soldaten, die - fast unbeachtet neben spektakulären Schauspielen - hinter den Kulissen die Technik steuern. Man muß sich auf diese unauffälligen Männer im Hintergrund verlassen können. In langwierigen Lehrgängen werden sie zu unentbehrlichen Helfern herangebildet. Unser Bild vermittelt einen kleinen Ausschnitt aus dem immerwährenden Kreis von Wartungsarbeiten und Kontrollen, die notwendig sind, um hochmoderne Systeme funktionsfähig zu halten. Je komplizierter und größer eine technische Anlage ist, umso verzwickter und zahlreicher werden auch die Störungen und Fehlerquellen. Dagegen hilft nur ein gut fundiertes Wissen, gepaart mit ständiger Überwachung. Unser Bild zeigt, wie ein Abschußgerät für das Flugkörpersystem Hawk einsatzklar gemacht wird, denn anschließend soll es mit drei ebenfalls gründlich kontrollierten Flugkörpern bestückt werden, um im Bereitschaftsdienst gegen ein anderes Gerät ausgetauscht zu werden. Jede einzelne Funktion wird durchgeprüft, vorhandene Toleranzen eventuell nachjustiert, bevor die Klarmeldung an die Bereitschaftzentrale erfolgt.
Bild: Hans Heinzelmann