• Wie jedes Fahrzeug bietet der Borgward für Fahrer und Mitfahrer geeignete Sitzgelegenheiten. Da aber auch diese dem Vergang allen irdischen anheimfallen, hier eine kleine Serie, wie dem auf verschiedenster Weise entgegengewirkt werden kann.

    Neben Reparatur bleibt – bei fortgeschrittenem Verfall – oft nur die vollständige Rekonstruktion.


    Da neben Metall- und Holz- auch ganz viel Textilarbeiten dabei anfallen, ist dieser Bericht hier das Ergebnis der Zusammenarbeit mit einem Profi. Vielen hier bekannt, bietet Axel mittlerweile allerhand ‚Software‘ für die verschiedensten Fahrzeuge an.

    Auch Borgwardsitze hat er schon erfolgreich wieder hergestellt.


    Der Borgward Kübel hat neben Fahrer- und Beifahrersitz auch noch Sitze für die Passagiere, alle jeweils auch mit den dazugehörigen Rückenlehnen. Der technische Fortschritt machte auch vor Borgwards nicht halt und so gibt es die Sitzmöbel auch in verschiedenen Ausführungen und Komfortstufen.


    Beginnen soll diese mehrteilige – und auf Fortsetzung angelegte – Serie mit dem Fahrersitz, der zugegebenermaßen schon eine Vorrangstellung hat (im Stehen fährt sich schlecht).


    Diesen gibt es ebenfalls in verschiedenen Ausführungen.

    • Als einfaches, festes Sitzkissen, das sich eine durchgehende Rückenlehne mit der Beifahrersitzbank teilt (Fahrersitz I).
    • Als verstellbaren Einzelsitz (Fahrersitz II) und
    • als verstellbaren Einzelsitz mit zusätzlicher Höhenverstellmöglichkeit für das Sitzkissen (Fahrersitz III).


    Und mit dem Sitzkissen des Fahrersitz III soll hier begonnen werden.

    Nach vielen Jahren Gebrauch – oder auch Nichtgebrauch - stellen sich verschiedenste Verfallsstufen ein.

    Diese reichen von ‚durchgesessen‘ über Nähte, die sich öffnen und reißende Bezüge, bis hin zu substantiellen Schäden mit durchgefaulten Holzrahmen, durchgerostetem Federkern und verfaulter Polsterung. Besonders die Sitze der Kübel, die dann irgendwann über Jahre mit durchgegammelten Verdeck Wind und Wetter ausgesetzt sind, neigen zum vollständigen biologischen Abbau.


    Solch ein Wind- und Wetterexemplar liegt nun vor uns:

    Bezug gerissen…


    Holzrahmen gebrochen, Poster verfault, Federkern tw. gebrochen.


    Selbst die Demontage gestaltet sich kniffelig, sind doch die Nägel so im Holz verrostet, dass sie sich nicht herausziehen lassen. Also Bezug einschneiden.


    Das Grauen


    Im Federkern sind die Federn noch intakt, aber die Blechstreifen sind gebrochen.


    Also beginnen wir mit der Rekonstruktion des Holzrahmens. Auch wenn das Verzinken (als nicht der Auftrag von Zink, sondern das Verleimen der Zinken) die fachlich korrekte Methode wäre, entscheide ich mich für was aus den ‚Vollen‘ – eine 19 mm Siebdruckplatte. Die schneidet mir der nette Herr im Baumarkt gleich auf Maß.


    Nun muss ich zu einer kleinen Seitenbemerkung ausholen. Gerade bei Karosserieteilen muss ich immer häufiger feststellen, das Borgward, da sehr viel ‚vor Ort‘ angepasst hat. Bohrbilder weichen tw. stark voneinander ab und der Versuch, ein Teil von einem Borgi zum anderen ‚rüberzuschrauben‘ sorgt für Frust. Daher konnte ich es nicht lassen (bei meiner Ingenieursehre und als Auditor), hier mal Reproduzierbares zu produzieren.


    Also wurde für die Grundplatte eine Schablone angefertigt (wie wir gleich sehen werden, entstehen auch noch weitere Sitzkissen).


    Vorgebohrt und angezeichnet…


    …werden mit einem Forstnerbohrer die Innenlöcher gebohrt...


    …und mit der Stichsäge das Innenteil und die beiden Außenradien gesägt.


    Geht gleich weiter...

  • Damit der Bezug sich nicht gleich an den scharfen Kanten durch scheuert, werden Radien an die Kanten gefräßt.


    Nun, wo die Grundplatte fertig ist, wenden wir uns dem Federkern zu.


    Dort gilt es die gebrochenen Blechstreifen zu ersetzen. Da ich hier erst mal nur Feld-, Wald- und Wiesenblech, was weicher ist, genommen habe, habe ich die Blechdicke etwas erhöht um eine vergleichbare Steifigkeit zu erreichen.


    Eine kleine Herausforderung sind die Verkröpfungen der Querstreifen. Ohne Biegebank nur mit einer Zange und Schraubstock war das Ergebnis unbefriedigend (weil nicht reproduzierbar). Also für den Schraubstock eine Biegematrize gebaut.


    Da die originalen Blechstreifen an den Kreuzungspunkten verschweißt sind, müssen die Streifen rausgeflext werden.


    Dann ist ‚Blechweben‘ angesagt.


    Dann kann das Federpaket – gut ausgerichtet – auf die Grundplatte geschraubt werden.


    Und damit es nicht so olle aussieht und nicht gleich wieder weitergammelt, noch etwas Grundierung drauf.


    Und morgen bauen wir dann ein komplett neues Sitzkissen N8

    Gruß


    Peter

  • Nun soll es ja Borgwards geben, die im laufe ihres Lebens das original Gestühl eingebüßt haben, weil sie entweder mit 'cooleren', modernen Sitzen ausgestatttet wurden, oder die Sitze einfach gänzlich abhanden gekommen sind.
    Daher hier zwei Versuche, aus dem Nichts eine Unterlage zu schaffen:


    Leider habe ich keine Quelle für die Federn in den entsprechenden Abmessungen gefunden, denn immerhin sind im Federkern 8 (!) verschiedene Federn verbaut.


    Wer hier also eine Quelle kennt, darf dies gerne kundtun.


    Allerdings konnte bei einem Polsterzubehörhändler ein kompletter Federkern – wenn auch mit anderem Aufbau – zum fairen Kurs gefunden werden.

    https://www.schaumstoff.net/media/images/org/9060020.jpg


    Allerdings hat der keinen Rahmen. Dazu wurde ein passender Rahmen gelasert, der mittels Drahtklammern am Federkern befestigt wird.

    Da wir von diesen Klammern später noch recht viele benötigen, auch hier eine kleine Vorrichtung zum Klammernbiegen.


    (auch, wenn hier nicht erkennbar: es ist der gleiche Unterbau, wie der Bremzylinderprüfstand)



    Die Drahtbügel werden entsprechend um die Federn gebogen.


    Und abschließend – nach dem Einkürzen der Blechstreifen – ebenfalls der gesamte Federkern auf die Grundplatte geschraubt.


    Insgesamt ist der Federkern flacher, aber das wird dann 'aufgepolstert'.


    Eine dritte Variante, die erprobt werden soll, bekommt ein komplette Schaumstoffkern. Dazu reicht dann eine 12 mm-Siebdruckplatte als Grundplatte.

    Damit der Schaumstoff ‚ausatmen‘ kann, wenn man sich draufsetzt bekommt die Grundplatte ein paar Atemlöcher.


    Ach ja, da gibt es ja noch die Befestigungsstangen unterm Sitzkissen:

    (sorry, muss gerade mal den Rechner neu starten, das Bildbearbeitungsprogramm hat sich aufgehängt :wacko: - geht gleich weiter)


    Gruß


    Peter

  • Für die Befestigungsstangen benötigen wir Stahlrohr 10 x 2, was zunächst an den Enden auf 6,8 mm aufgebohrt wird.


    Dann M8er Gewinde reinbohren.


    Und eine M8er-Schaftschraube


    Da ich ja die Reproduzierbarkeit schätze, auch hier eine kleine Schweißschablone.


    Und siehe da, passt sofort in das untere Sitzgestell.


    Nach der Vorstellung der ‚Hardware‘ darf uns Axel nun die Software vorstellen.


    Gruß


    Peter

  • Ein schönes Beispiel , warum heute alles in China gefertigt wird und nix taugt ...


    " Wer soll das bezahlen , wer hat soviel Geld ... " ;)





    War nur Spaß - ich bin begeistert . Werde nie so einen Sitz brauchen , aber es macht Laune , Deinem Bericht zu folgen !

  • Hallo Peter.

    Es ist mal wieder sehr interessant was du so bewerkstelligst. Da du dir das ein oder andere Werkzeug angefertigt hast, besteht da die Möglichkeit einer Kleinserie?

    Bei Rotkäppchen ist der Fahrersitz auch ziemlich durch, bin dort aber noch mit grundlegenden Dingen beschäftigt bevor Fahrkomfort drankommt.

    Gruß

    Mario

  • besteht da die Möglichkeit einer Kleinserie?

    Ich findet es für die eigenen Versorgungslage immer entspannend zu wissen, wo es was gäbe, bzw. wie man an benötigte Teile käme. Dabei immer mit beachtend, dass es oft unnötig ist, ein Teil gänzlich zu ersetzen, was durchaus auch noch Bestandteile hat, die weiter genutzt werden könnten (Stichwort: Austauschteil). Das bedingt aber, dass eine Tauschmasse vorhanden ist, denn keiner will ja eine Ewigkeit warten, bis das benötigte Teil dann instand gesetzt ist.
    Bezogen auf (Dein)/den Fahrersitz, könnte das bedeuten, dass man, sofern mal auf sein original Gestühl besteht, temporär mit einem neu gefertigten Schaumstoffsitz unterwegs ist. Oder gleich dabei bleibt ;-). Ich denke, wenn Axel mit allem durch ist, lassen sich auch Kosten abschätzen. Und die fangen damit an, dass ich die Siebdruckplatte dann nicht als Einzelstück im Baumarkt schneiden lassen muss (aber halt: Mario, bist Du nicht in der Branche ?).


    Gruß


    Peter

  • Hallo Peter, da täuscht dich deine Erinnerung nicht, allerdings nicht in irgendeiner Filiale einer Riesenkette, sondern in einem kleinen familiengeführten Baumarkt mit einer sprichwörtlichen Handvoll Mitarbeitern, wenn du dir noch 2 halbe Finger abschneidest:-D

    Das Thema Holz :ohhh:


    Die Preise sind abstrus exorbitant gestiegen, so das wir für uns entschieden haben diesen Käse nicht mehr mitzumachen. Wir verkaufen unser Holzlager ab und warten.

    Mittlerweile sind die Preise ums 4fache gestiegen, dann noch Steuer und etwas für uns draufrechnen auf die Gefahr hin das es liegen bleibt? Nicht mit uns.:nono:


    Zurück zum Thema, das Gestühl wird aufgearbeitet. So weit so gut. Da ich leider keinen Austauschstuhl habe, müsste die Sache in die Wintersaison verlagert werden.

    Oder du hast einen kleinen Pool von einigen Sitzpolstern mit denen du Tauschhandel betreiben kannst.

    Egal wie, falls du da was für andere machst dann hebe ich mal die Hand.

    Gruß

    Mario

  • Hallo Peter,

    zu den Federn, bei Friedrun kannst Du fast jede Feder wickeln lassen:

    http://www.kaeubler-federn.de/ ich habe mir vor Jahren mal Ihre feine Werkstatt und Maschinenpark angesehen, beeindruckend! Und tolle Arbeit!


    Bei den Blechstreifen verstehe ich aber nicht, dass Du 'nur' auf dickeres Blech setzt. Ich befürchte, das wird schnell ermüden. Aber auch da sollte Dir Friedrun helfen können.

  • Neue Software für Borgward Sitze


    So jetzt kommt mit etwas Verzögerung meine Info zur softwareseitigen Aufarbeitung der Borgward Sitze.

    Nachdem Peter perfekte Vorarbeit geleistet hatte, indem er uns z.B. drei Varianten des Borgward Fahrer Sitzkissens für die Polsterung vorbereitete, konnten wir mit dem Neubezug des original Sitzes, basierend auf einem instandgesetzten Holzrahmen und original Federn beginnen. So erarbeiteten wir ein Schnittmuster für den Sitzbezug und konnten eine Materialvorgabe samt Maßen für die Polsterung und den Unterbau erstellen.


    Vorher:




    während des Polsterns:




    Nachher:






    Der fertige Borgward Sitz diente dann als Form Vorlage für die kompletten Neubauten, die einmal in einer Variante mit neuen Federkernen (von Peter) und einmal in einer reinen Schaum Variante erstellt werden.


    Für die Kleinserie habe ich auch bereits eine Kalkulation gemacht, die wie folgt aussieht:


    Borgward Fahrersitz:

    Sitzbezug für Sitzfläche mit 10mm Steppschaum unterfüttert,

    nähen in oliv, schwarz oder grau: 92,- Euro


    Sitzbezug für Rückenlehne mit 10mm Steppschaum unterfüttert,

    nähen in oliv, schwarz oder grau: 96,- Euro


    Sitzfläche: Polsterung erneuern auf vorhandenem, bereits instandgesetzten Holzrahmen mit Federkern: 114,- Euro


    Rückenlehne: Polsterung erneuern auf vorhandenem, bereits instandgesetzten Lehnengestell mit Federkern: 114,- Euro


    Sitzbezüge aufziehen:


    Sitzfläche Fahrersitz. 65,- Euro

    Rückenlehne Fahrersitz: 65,- Euro



    Falls keine original Rahmen des Fahrersitzkissens samt Federkernen mehr vorhanden sind, können diese Teile durch eine Siebdruckplatte mit mehrschichtiger Auflage aus verschiedenen Schäumen ersetzt werden. Diese Sitzfläche kostet dann 144,- Euro (Die Position Polsterung: 114,- Euro entfällt dann für dieses Teil)


    Für diejenigen, die das Instandsetzen des Sitzgestells samt Unterbau mit Holz und Federn nicht selber machen können oder wolle, können wir auch dies anbieten. Einen Preis hierfür kann man aber erst nach Sichtung des Zustandes der Teile ermitteln.


    Alle weiteren Sitze und Sitzkissen für Beifahrer und Passagiere werden wir im Laufe des Jahres auch anbieten.


    Ich hoffe, jetzt etwas mehr Planungssicherheit für die Kalkulation der Borgward Möblierung geschaffen zu haben.


    viele Grüße aus Aachen

    Axel

    kreativ-oliv

  • sehr gut ! Für hinten gibt es ja auch 2 Varianten, welche ist die alte und wie sieht die zweite aus. Ich vermute das bei der ersten Version von mir der Holz Rahmen fehlt oder die Sitz Bank hat keinen Holzrahmen.

  • Bevor ich nun hier wieder etwas von den anstehenden Aktivitäten berichte, hier noch eben, wie es mit den beiden 'Neubau-Fahrersitzen' weiter ging.


    Rein äußerlich unterscheidet sich das Modell mit Federkern und das mit Schaumstoffkern nicht.

    (ich weiß auch gar nicht mehr, welcher welcher ist)


    Auch seitlich identisch


    Der Unterschied offenbart sich lediglich von unten...



    Vom Sitzgefühl, sitzt man auf dem Federkissen etwas 'schwingender', das Schaumkissen ist da etwas 'strammer' (was ich persönlich ganz angenehm finde).
    Ferner ist die Federvariante arbeitsaufwendiger - zumindest was mein Teil anging. Axel hatte wohl mit dem Schaumkern etwas mehr Arbeit bzw. Material.


    Gruß


    Peter

  • Die nächste Baustelle soll der Beifahrersitzbank gelten. Diese gibt es auch in zwei Ausführungen. Die alten Ausführung als Holzrahmen mit Wellfedern und die neuere Ausführung als Federkorb



    oben alt, unter neu, aber schon gestrippt.


    Aus dem familiären Fuhrpark sind dann am Ende auch insgesamt 4 Beifahrersitzbänke zusammengekommen in unterschiedlichen Erhaltungsstufen. Hier mal exemplarisch:




    nach

    Nach dem Sandstrahlen und lackieren.


    Danach war dann Axel wieder am Zug:

    Zwei unterschiedliche Varianten: glatt und gesteppt. Vorne noch mit einem 'Schonbezug' für die Fahrerhäuser mit Dachluke. Der Bezug ist mit Klettverschluss befestigt und somit waschbar.



    Eine weitere Variante mit Schaumkern auf 12-mm-Siebdruckplatte ist in Arbeit. Der Neubau eines Federkorbes würde meine Fertigkeiten dann doch übersteigen und auch sehr aufwendig werden.


    Da ich insgesamt noch 3 'alte' Beifahrersitzbänke hier habe, werde ich da erst mal nichts nachfertigen, bestenfalls die Bezüge erneuern.


    Gruß


    Peter

  • Unspektakulär sind die Rückenkissen für Beifahrer und die Rückbänke (übrigens identisch mit dem Rückenkissen der alten Modelle, was für Beifahrer und Fahrer durchgängig ist). Diese hat Axel dann gleich gänzlich mit Schaumkern neu gefertigt. Besonders clever ist der Reißverschluss auf der Rückseite - da kann man das Innenleben ohne nähen austauschen :daumenhoch:


    Beifahrerrückenkissen

    oben neu, unten alt


    Rücksitzrückenkissen bzw. Rückenkissen Beifahrer und Fahrer der frühen Modelle.

    links alt, rechts neu


    Ach übrigens: Sowohl Beifahrer- als auch Rücksitzbank werden durch Schnappverschlüssen gehalten. Allerdings habe ich noch keine Quelle für die Zapfen gefunden, so dass mir mein Dreher aus der Patsche helfen mußten.

    Wer hier einen zielführenden Tipp hat, möge dies gern kundtun :yes:


    Gruß


    Peter

  • Hallo Peter,

    die Zeichnung vom "Zapfen" sieht genau so aus wie die Sitzverriegelung vom Munga.

    Dort heißt sie Fasonschraube und hat die DKW Teile Nr. 90047 501 37 009.

    Kannst ja beim Matz mal nachfragen.

    Habe den Munga nicht am Haus stehen sonst hätte ich nach gemessen.


    Gruß Daniel

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