„Never change a running system“ – oder anders: „so lange es läuft, lass die Finger davon“
Denn warum sollte etwas, was lange Zeit zuverlässig funktioniert, es auf einmal nicht mehr tun ? Betriebsbewährt – eine Attribut, was in modernen Sicherheits- und Zuverlässigkeitsbetrachtungen durchaus ein Stellenwert hat.
Aber irgendwann verschleißen Dinge doch, entwickeln sich vom Ursprungszustand weg. Nicht plötzlich, sondern schleichend. Blöde ist der Zeitpunkt, wo das System dann scheinbar spontan ausfällt, aber letztlich ist das dann nur das Resultat dessen, was die ganze Zeit vorher schon stattgefunden hat.
Und genau diese Erfahrung wollte ich mir ersparen und habe dann einfach mal meine gesamte Bremse – eigentlich ohne Not – auf links gedreht.
Aber der Reihe nach. Vor zwei Jahren ‚fiel‘ mir bei Radwechsel quasi die Bremstrommel vorne rechts entgegen und offenbarte, dass ich mit einer Backe schon auf den Nieten bremste. Diese war schnell getauscht, aber eigentlich musste ich davon ausgehen, dass es links ähnlich aussieht.
Ferner konnte ich mich nicht mehr erinnern, wann das letzte Mal die Bremsflüssigkeit getauscht wurde. Und da Zeiträume in der Erinnerung eh immer größer sind als gedacht, musste das schon sehr lange her sein.
Als Vorarbeit hatte ich im letzten Jahr ein Satz Backen neu bekleben lassen. War nicht so billig wie geplant (auch da war zugegebenermaßen die Idee einer Nachfertigung für die Community im Raum) aber das Ganze war dann als Versuchsballon gedacht, zumal die Beläge auch einen ’moderneren‘ Reibwert haben.
Außerdem sollte das Bremssystem auf Silikon-Bremsflüssigkeit umgestellt werden, so dass es zukünftig unempfindlicher ggü. Feuchtigkeit ist und der regelmäßige Wechsel entfallen kann. Und außerdem kann es nicht schaden, mal zu schauen, wie die Dinge im allgemeinen so aussehen.
Also den Borgi an allen 4 Ecken aufgebockt und frisch an’s Werk. Bremstrommeldemontage vor war ja locker, war ja die rechte Trommel eh schon sehr leichtgängig. Schon beeindruckend, wie viel Dreck sich so in der Zeit in der Bremstrommel ansammelt. Etliche Dosen Bremsenreiniger werden in den nächsten Tagen ihren letzten Atem aushauchen.
Widerspenstig alleine zeigen sich die Nippel der Bremsleitung, die sind schon rundgedreht und lassen sich nur mit der Rohrzange lösen.
Die Bremszylinder werden ebenfalls demontiert, gereinigt und kontrolliert. Im Bereich außerhalb der Kolben zeigen sich leichte Korrosionsspuren, die aber keine Intervention bedürfen.
Und schon ist alles wieder montiert und bereit für neue Verzögerungen:
Doch die wahren Dramen sollen sich an der Hinterachse abspielen. Bekanntlich müssen ja die Radlager abgezogen werden, doch der große Abzieher kommt nach wenigen Millimetern an seine Grenzen.
Also schweres Gerät:
Es zeigt sich, dass die Bremsbacken – trotz der Rückstellung der Exzenter – sich verkanten und die Trommel blockieren. Es hilft alles nichts, das Ding muss runter und da ja eh die Backen erneuert werden, werden auch Kollateralschäden in Kauf genommen. Mit einem Knall ist die Trommel frei – die Exzenter sind abgerissen.
Die Trommel hat einen formidablen Rand.
Später – bei der Wiedermontage – zeigt sich, dass der Handbremszug, trotz maximaler Entspannung in der Bowdenzughülle klemmt und die Backen nicht vollständig zurück können.
Gut, dass noch zwei Trommel rum liegen. Der Tausch ist machbar, obgleich schweißtreibend.
Um zu verhindern, dass die neuen Beläge gleich wieder verölen, wird der Simmering getauscht und eine Dichtung
eingesetzt.
Nun muss mit den abgerissenen Exzentern was passieren. Eine M8er-Stiftschraube soll die Lösung sein.
Aufbohren und Gewinde schneiden.
Hinten zeigen sich in den Bremszylindern deutlichere Spuren an der Innenfläche, die mit 1000er-Nasspapier egalisiert werden.
Nun ist es Zeit wieder alles zusammen zu bauen.
Die Sicherungsbleche für die Hinterachsmuttern gilt es zu erneuern, hat doch das Alte sich bei der Demontage dauerhaft von seinen Fahnen getrennt.
Jpk hat ja vor einiger Zeit mal welche lasern lassen. Die sind aber zunächst rein zweidimensional…
…zunächst die Führungsnase mit der Zange umbiegen…
…und dann, eingeklemmt zwischen den beiden Muttern, die hinteren Fahnen umschlagen und die vorderen leicht ankanten.
Nun steht alles auf Wiedermontage. Problem ist nun die Radlager soweit auf die Achse zu bekommen, dass man die Achsmuttern ansetzen kann. Dazu werden zwei M12er-Gewindestangen mittels Verbindungsmutter zusammengeschraubt und durch das Differential gesteckt. Dann auf der anderen Seite eine Gegenlager und dann die Radnabe aufgezogen.
Dann die Radlager mit den Muttern aufziehen, bis nix mehr geht (knallfest). Dann wieder lösen und noch mal ohne Kraft an’s Lager randrehen. Eine Viertelumdrehung zurück und mit dem Sicherungsblech und der Kontermutter festziehen.
Da auch hinten die Bremsleitungsnippel total verknorzt waren und der Bremsschlauch eigentlich etwas zu lang war, werden beide erneuert.
Der Hauptbremszylinder wird ebenfalls zerlegt und gereinigt. Die Schutzkappe ist gequollen und hat ein Riss. Zum Glück gibt es noch ein Ersatzteil im Fundus. Wer weiß, wo man Ersatz bekäme ?
Um die Frimelei mit den Splinten an den Bolzen zu vermeiden, kommt ein Federklappbolzen
zum Einsatz.
Die Modifikation des Bremsflüssigkeitsbehälters
ist ja schon beschrieben.
Dann gut 1 l DOT5-Bremsflüssigkeits eingefüllt, entlüften, und die Bremsen nachgestellt. Dieses nach den ersten Kilometern noch mal wiederholt und nach weiteren Kilometern die Handbremse eingestellt.
In Verbindung mit dem sowieso schon vorhandenen Bremskraftverstärken ergibt sich ein Bremsverhalten, was sich hinter modernen Autos nicht verstecken braucht. Kleiner Schönheitsfehler: Bis der Bremslichtschalter anspricht, lege ich schon fast eine Vollbremsung hin. Mal gucken, ob ich da mal einen mechanisch betätigten Schalter parallel schalte.
Das System ist nun wieder in einem Zustand, wo ich mir überlegen kann, nach wieviel Jahren ich da mal wieder bei gehe.
Gruß
Peter