Ich halte das für einen recht objektiven Film, der sehr sachlich die personellen und materiellen Rahmenbedingungen der Reserve- (Geräte-) Einheiten darstellt. Die angesprochenen Probleme mit dem Einsatz der Reservisten bestanden tatsächlich.
Es gab bei der „alten“ Bundeswehr Truppengattungen, die wegen ihrer großen Friedensstärke relativ viel ausgebildete Reservisten produzierten, aber kaum Reserveeinheiten aufzustellen hatten. Dazu gehörte die Panzertruppe, die Artillerie, die Panzeraufklärer, die Panzerjäger, aber auch in gewissem Umfang die Fernmeldetruppe.
Dann gab es Truppengattungen mit recht geringem Friedensumfang, die folglich nur wenig ausgebildete Reservisten zur Verfügung hatten, aber im V-Falle auf ein Mehrfaches ihres Friedensumfanges anwuchsen. Dazu zählten vor allem die Jäger- und Sicherungsverbände, aber auch die Sanitätstruppe, die Feldjäger und nach Einrichtung der WHNS-Organisation mit ihren vielen Transportverbänden die Nachschubtruppe.
Dieses Missverhältnis zwischen ausgebildetem Personal und Bedarf an bestimmten Ausbildungsrichtungen führte dann eben dazu, dass der Artillerist auf einmal als Sicherungssoldat im Heimatschutzregiment landete. Bei den Heimatschutzkompanien und den Sicherungszügen sah es vielfach noch schlimmer aus. Dort fehlten nicht nur die Jägerunteroffiziere und –feldwebel, sondern auch die Mannschaften kamen oft aus völlig artfremden Truppenteilen.
Die Schwierigkeiten mit den nicht immer sehr geeigneten Fahrzeugen der materiellen Mob.-Ergänzung sind zur Genüge bekannt. Andererseits hätte man aber für die zahlreichen erst im V-Falle aufzustellenden Reserve-Einheiten nicht viele tausende LKw quasi auf Halde bereithalten können, das wäre sowohl von der Finanzierung wie auch von Raumbedarf und Materialerhaltung nicht darstellbar gewesen. Nachgedacht hat man über Zuschüsse für private Fahrzeughalter, wenn diese bestimmte, den Vorstellungen der Bundeswehr gerecht werdende Fahrzeuge angeschafft hätten. Etwas ähnliches gab es z.B. vor dem ersten Weltkrieg im Kaiserreich. Nach meinem Kenntnisstand wurde aber diese Überlegung bei der Bundeswehr nicht verwirklicht.
Ob Heimatschutzregimenter tatsächlich von vornherein planmäßig am VRV eingesetzt worden wären, wie dies im Film unterschwellig anklingt, lasse ich mal dahingestellt. Die mir bekannten GDP-Befehle des II. und III. (GE)-Korps und des TerrKdo SÜD (soweit sie freigegeben sind), beinhalten nichts dergleichen. Krisenlagen hätten eine neue Beurteilung der Lage erfordert. Ich glaube eher, dass hier eine Verwechslung mit den Heimatschutzbrigaden vorliegt, die ja in zwei Fällen bereits im Frieden der NATO unterstellt waren (51 und 56). Auch die „Vorläufer“ der HSchBrig und HSchRgt, die Heimatschutzkommandos der Heeresstruktur 3 waren hier anders zu beurteilen, weil die Heimatschutzkommandos Kaderverbände für Reservedivisionen waren.
Lediglich in Bayern (Wehrbereich VI) war bis ca. 1985 der Einsatz des HSchRgt 86 in Südostbayern im Rahmen eines Sperrverbandes zwischen Inn und Salzach vorgesehen, falls es zu einem Angriff des Warschauer Paktes durch Österreich gekommen wäre. Ab 1985 wurden durch radikale Änderungen der Planungen von CENTAG und II. (GE)-Korps dann die 1. Gebirgsdivision und die 10. Panzerdivision für den „Fall Österreich“ freigemacht.
Der Leitende der Übung „Landesverteidigung 88“, Generalmajor Brugmann, hat ein Buch zu den Heeresmanövern der Bundeswehr veröffentlicht. Darin beschreibt er u.a. auch die LV 88 und bewertet diese Übung mit folgenden Worten: „ Die Übungsanlage funktionierte, Der Bundeskanzler war beeindruckt von „seiner“ Truppe, die er im Falle von Krise und Krieg selbst zu führen hätte, und die Sowjetunion und der Warschauer Pakt hatten begriffen, dass das Territorialheer keine NATO-Reserve war und hielten es überdies für einsatzbereit.“ (Brugmann, Gerhard / FüAkBw: Heeresmanöver der Bundeswehr, Buchholz 2004, S. 202). Das war wieder die leider so oft übliche Selbsttäuschung der Führungsleiste nach solchen Übungen.