Chromnickelstahl for Beginners

  • Hallo,


    nachdem ich nun schon wieder die Bezeichnung "V2A" gelesen habe,
    nachfolgend mal ein paar Grundlagen.
    Es sollen ja nicht alle dumm sterben.



    Teil 1 - Grundlagen:


    Es begab sich zur Zeit des alten Krupp.
    In seiner Hexenküche entwarf er Versuchschargen, um korrosionsfesten Stahl zu kreieren.
    Er erfand: V1A, V2A, V3A und V4A
    Die Versuchschargen (V) mit den Nummern 1 und 3 schafften es nicht aus dem Labor.
    Es blieben die Versuchschargen 2A und 4A.
    Das war ca. 1912.


    Die Rezepturen vom alten Krupp kann man heute nicht mehr kaufen.
    Die Technik hat sich in den letzten 105 Jahren weiterentwickelt.


    Heute gibt es in Deutschland etwa 1'000 gängige Stahlsorten.
    Ob Hoesch, Voest-Alpine, Tyssen-Krupp, oder andere,
    jeder kocht das, was der Konsument nachfragt.


    Je nach Art und Menge der Legierungselemente gibt es heute zwei sehr bekannte Chromnickel-Stahlsorten:
    Werkstoffnummer: 1.4301 und 1.4571
    Der erste entspricht so grob in etwa dem V2A vom alten Krupp.
    Der zweite entspricht so grob, und in etwa dem V4A vom alten Krupp.
    Jede Art und Weise des Gebrauchs der Bezeichnungen V2A und V4A oder VA2 oder VA4 ist irreführend,
    und mehrdeutig.
    Es werden regelmäßig Gerichtsprozesse geführt.
    Die dienen einzig und allein zur Generierung des Einkommens von Gutachtern und Rechtsanwälten.
    Für die Betroffenen haben sie keinen Nährwert.
    Denn die Chemie und die Technik hätte man ja im WWW selbst nachlesen können.


    Bei den korrosionsfesten Schrauben haben sich die Fraktionen A2 und A4 durchgesetzt.
    Die aber wiederum rein gar nix mit V2A oder V4A zu tun haben.


    Dann die Mähr, daß die Bezeichnung 'Edelstahl' etwas mit Korrosionsfestigkeit zu tun hat.
    Das ist mitnichten so.
    Als Edelstahl wird jeder Stahl bezeichnet, der mehr als 0,2 % Kohlenstoff beinhaltet.
    Daher der Test beim Schraubenhändler:
    Man lässt sich eine Unterlegscheibe aus Edelstahl geben.
    Dann die Probe:
    Zwischen die Zähne nehmen, und kräftig draufbeißen.
    Ist hinterher der Zahn kaputt, war es Edelstahl.


    Die Legierungselemente eines jeden Chromnickelstahls kann jeder im WWW nachlesen.
    Desgleichen die Festigkeiten, und die Art der Werkzeuge zur Bearbeitung.


    Wenn also jemand eine Frage hat,
    dann nenne er zuerst die Bauaufgabe,
    oder zuerst die Werkstoffnummer des zu verwendeten Stahls.
    Dann kann ich etwas dazu sagen.


    ...

  • Hallo,


    Teil 2 - Schweißen:


    Ja, man kann Schwarz-Weiß-Verbindungen herstellen.


    Aber Achtung:
    Beim Verbinden von Chromnickelstahl an unlegierten Stahl gehen in der Schweißnaht Legierungselemente verloren.
    Je mehr, desto größer das Bad ist.


    Daher bitte das Scheffler-Diagramm beachten.


    Als Faustformel:
    Den Schweißzusatzwerkstoff immer höher legiert auswählen, als den anzuschweißenden Chromnickelstahl.
    Bei Kehlnähten mehr als bei Stumpfnähten.


    ...

  • Hallo,


    Teil 3 - Werkzeuge und Oberflächenreinigung:


    Chromnickelstahl erfährt seinen Korrosionsschutz durch eine Passivierungsschicht.


    Daher niemals Werkzeuge im Weiß-Bereich verwenden,
    mit denen schon einmal im unlegierten Bereich gearbeitet wurde.


    Die mikroskopisch kleinen Stücke vom unlegierten Stahl werden in die Oberfläche einmassiert.
    Und genau dort erfolgt dann die Interkristalline Korrosion.
    Früher nannte man es: Lochfraß.
    Das ist eine anschauliche Beschreibung.


    Man kann also so CrNi-Stahl-Oberflächen unreparabel zerstören.


    Selbst zur Oberflächenreinigung verwende man tunlichst Waschbürsten und
    Putzwolle mit gleicher Legierung.


    Das gilt natürlich für die heimische Küche genau so,
    wie für das Wohnmobil.


    ...

  • Die Zeiten von ST37 und Konsorten usw. sind lange vorbei ;,( Öfter mal was Neues.

    Bullitreiber / Robert


    kostengünstiger Hersteller von CO2 und Überlebender der 1975 prognostizierten Eiszeit, des Waldsterbens, des Konsums von Salz und Eiern, des Millenniumbugs und der Klimakatastrophe :schweiz:


    :rad:

  • Die ein-eindeutige Zuordnung erfolgt im Regelfall durch die Werkstoffnummer, z.B. 1.0037 für den vom Bullitreiber erwähnten St37, wobei es den St37 als Werkstoffbezeichnung nicht mehr gibt, dieser Werkstoff heißt jetzt S235JR + AR.


    Detlev

  • Wow. Danke für das viele Fachwissen! Mit den im Sprachgebrauch befindlichen Stahlsorten ist es wohl ein wenig wie mit Flex & Co... meist die falsche Bezeichnung für das jeweilige Objekt - aber fast jeder weiß was gemeint ist. Eine Spundbohle heißt bei mir Larse auch wenn sie von Hoesch kommt. :D

  • VA-Verbindungselemente sind sehr problematisch mit verbindlichen Zugfestigkeiten, es ist lange her, dass ich das gelernt habe, aber meiner Erinnerung nach, war da was mit 'keine Angabe der Zugfestigkeit, nur Angaben zur Streckgrenze...', vielleicht kann das hier ja nochmal jemand bestätigen oder richtig stellen.


    Sehr interessant dazu auch diese PDF:
    https://www.wegertseder.com/Do…genschaften-Edelstahl.pdf


    Beim Mühlenbau haben wir darum VA Schrauben nur dort eingesetzt, wo es wegen äußerer Umstände unbedingt von Nöten war (z.B. Leinölherstellung oder Kartoffelstärkeherstellung). Erfahrungsgemäß waren die dann immer gefühlt eine Größe über den sonst eingesetzten 'schwarzen' Schrauben bei ähnlichen Einsatzzeecken (also z.B. M10 statt M8).
    Hochfest (HV) oder auch nur höherwertig (10.9) gibt es bei VA garnicht.


    Darum sollte man es auch tunlichst unterlassen, mal eben pauschal eine schwarze Schraube gegen eine hübsch glänzende VA Schraube zu ersetzen!


    Zusätzlich neigen VA Schrauben ob ihres höheren Reibwertes verhältnissmäßig häufig zum festfressen. Dann geht nur noch abreißen...

  • Zum Thema Edelstahl-Schrauben (Quelle)


    Festigkeiten bei Rost- und Säurebeständigen Verbindungselementen (genormt in ISO 3506 ):

    Die Festigkeiten bei Nichtrostenden Verbindungselementen wird in einer Buchstaben Zahlen
    Kombination angegeben. Diese Angaben werden in den Schraubenkopf bzw. in die Mutter eingeprägt.

    Beispiel: A2-70
    Der Buchstabe gibt die Werkstoffgruppe an ( A = Austenitischer Stahl; C = Martensitischer Stahl; F = Ferritischer Stahl )
    Die Zahl nach dem Buchstaben ist ein Schlüssel für die chemische Zusammensetzung.

    1 = Automatenstahl mit Schwefelzusatz
    2 = Kaltstauchstahl mit Chrom und Nickel legiert
    3 = Kaltstauchstahl mit Chrom und Nickel legiert, stabilisiert mit Ti, Nb, Ta
    4 = Kaltstauchstahl mit Chrom, Nickel und Molybdän legiert
    5 = Kaltstauchstahl mit Chrom, Nickel und Molybdän legiert, stabilisiert mit Ti, Nb, Ta

    Die Zahlen nach dem Bindestrich geben die Festigkeitsklasse an. Nichtrostende Schrauben
    werden in Festigkeitsklassen wie 50, 70 oder 80 eingeteilt. Diese Zahlen geben 1/10 der
    Mindestzugfestigkeiten Rm an. So bedeutet 50 eine Mindestzugfestigkeit von 500 N/mm2.
    Für Muttern niedriger Bauart gibt man eine Prüflast an, da das Gewinde zu kurz ist um die
    volle Tragfähigkeit des Werkstoffes aufzunehmen. Üblich sind die Angaben 025, 035 und 040.
    Dabei bedeutet 035 eine Prüflast von 350 N/mm2.

    Erst wenn der letzte Industriearbeiter und der letzte Kumpel seine Arbeit verloren hat, wenn der letzte
    Handwerker
    und der letzte Landwirt zu Tode reguliert wurde, erst dann werdet ihr feststellen, daß
    Sozialarbeiter, Klimaaktivisten, Genderforscher und
    Politiker nichts lebensnotwendiges herstellen!

    ***********

    I am not going to let some clowns tell me what guns I can have! (Joe Foss, President NRA 1988-1990)


  • Nochmal Schrauben: Erfahrungen des Herrn Hans Hehl, der sich viel mit dem Mercedes G (auch Wolf) beschäftigt hat. Dürfte auf viele Anwendungsfälle übertragbar sein. Zitat:
    "Meine fast 40-jährige G-Erfahrung:... Möglichst viele Teile und Schrauben durch V2A ersetzen. Es wird zwar immer von Kontaktkorrosion
    theoretisiert, aber die ist bei eingeölten! V2A-Schrauben minimal, weit weniger als es sonst rostet."

  • Hallo,


    Dehngrenzen für die einzelnen Klassen:
    A1...A5-50: 210MPa bei 20°C, 175MPa bei 100°C, 155MPa bei 200°C
    A1...A5-70: 450MPa bei 20°C, 380MPa bei 100°C, 360MPa bei 200°C (bis M24)
    A1...A5-70: 250MPa bei 20°C, 210MPa bei 100°C, 200MPa bei 200°C (ab M24)
    A1...A5-80: 600MPa bei 20°C, 510MPa bei 100°C, 480MPa bei 200°C (bis M24)


    Ax-yy: Ax ist die Werkstoffklasse, yy gibt die Zugfestigkeit an




    zum Vergleich "Standardschraube" 8.8: Zugfestigkeit 800MPa, Dehngrenze: 640MPa bei 20°C, 590MPa bei 100°C, 540MPa bei 200°C


    da kommt die Ax-80 Edelstahlschraube am nächsten hin, wobei wir hier schon Beschaffungsproblem hatten, bzw. wenn man den Preis hört wird man weiß im Gesicht.

    Gruß,
    Florian


    "Das heißt Anhänger, den Hänger haben Sie in der Hose!" (Zitat Fahrlehrer, KFZAusbZ Dillingen)

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